Zerstörte Lebenswege durch Zwangsheirat
Ein Thema für Deutsche und Ausländer
Einem bewegenden Vortrag zum Thema "Zwangsheirat und 'Ehrenmord'" lauschten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10B unserer Schule. Die Autorin Fatma Sonja Bläser, eine aus der Türkei stammende Kurdin, berichtete von ihrem Schicksal, das für die 15- und 16jährigen Schüler zunächst weit weg erscheinen mag, es aber gar nicht ist.
Frau Bläser sprach im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Gegen Heiratszwang" der Gleichstellungsbeauftragten der Kreisverwaltung Düren auf Empfehlung des Landrates.
Es gelang ihr schnell, die Schülerinnen und Schüler für das Thema zu interessieren, indem sie sowohl in einem Filmbeitrag gleichaltrige Betroffene zu Wort kommen ließ, als auch ihre eigene traurige Lebensgeschichte anschaulich darstellte, die sie in ihrem Buch "Hennamond - Mein Leben zwischen zwei Welten" berichtet. Schon als Kind in einem ostanatolischen Dorf wurde sie Zeugin, wie eine Schwangere wegen angeblichen Ehebruchs von der Dorfbevölkerung gesteinigt wurde.
Nach einer Kindheit voller Arbeit und Misshandlung wurde sie mit 21 ohne ihr Einverständnis mit einem ihr unbekannten Verwandten verlobt. Sie floh vor der Hochzeit, löste sich von ihrer Familie und begann ein neues Leben in Deutschland und heiratete dort aus freiem Willen. Dennoch wurde sie weiter von ihrer Familie bedroht, weil sie angeblich durch ihr eigenverantwortliches Handeln den Willen des Vaters und damit die Familienehre verletzt habe. Ihr eigener Bruder war ausgewählt worden, sie dafür zu töten und konnte nur durch Zufall seine Tat nicht ausführen.
Die Schüler hörten dem Vortrag sehr konzentriert zu. Laura meinte: "Das kann doch gar nicht sein, dass man gar keine Rechte hat, sein Leben so zu gestalten, wie man es selbst möchte." Fatma Bläser erzählte aber nicht nur von ihrem Schicksal, sie stellte auch Hintergründe dieser gegen die Menschenrechte verstoßenden Traditionen dar. "Oftmals wird die Unterdrückung der Frau mit der Religion begründet", erklärt sie, "das ist nicht nur im Islam so, auch im hinduistischen Indien und in vielen afrikanischen Ländern, sogar in Italien, Griechenland und Kroatien und vielen weiteren Staaten werden Frauen- und Mädchenrechte so missachtet."
Dass dieses Thema sehr nahe am Schulalltag in Deutschland ist, verdeutlichte Frau Bläser mit einem aktuellen Ereignis: "Gestern rief mich eine verzweifelte Schülerin an. Sie fürchtete sich, gegen ihren Willen in die Türkei verheiratet zu werden und bat um Hilfe." Wie diese Hilfestellungen unter anderem aussehen können, erklärte sie den Schülern der 10B. "Wenn man Angst hat, dass man in der Heimat der Eltern gegen seinen Willen verheiratet wird, sollte man unbedingt Vorkehrungen treffen. Dazu gehört es, seinen Ausweis zu kopieren und an einem sicheren Ort zu hinterlegen. Wenn einem der Pass abgenommen wird, hat man noch die Kopie. Außerdem sollte man vor Reisen immer daran denken, genug Kleingeld für ein Telefonat zu haben. Handys werden den Mädchen vor Ort meistens abgenommen. Außerdem sollten die Betroffenen vor Beginn der Reise eine Telefonnummer von Verwandten im Zielland bei Freunden in Deutschland hinterlassen, damit diese nachfragen können, wenn jemand nicht aus dem angeblichen Urlaub zurückkehrt."
Nach dem anderthalbstündigen, engagierten Vortrag waren die Schüler beeindruckt von der Energie und dem Mut von Fatma Sonja Bläser, die trotz wiederholter Angriffe und Todesdrohungen an ihrem Ziel festhält, sich für das Recht von Migrantinnen auf ein selbstbestimmtes Leben einzusetzen.
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- Geschrieben von Pressewart
- Erstellt: 01. Januar 2006
- Zuletzt aktualisiert: 08. April 2015
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