Gegen das Vergessen
Anita Lasker-Wallfisch, Überlebende des Holocaust, in unserer Schule
"Wie war es als Jüdin in der NS-Zeit in Deutschland zu leben?" Diese Frage wird gegenwärtig fast täglich in Dokumentationen, Berichten oder Talkshows diskutiert. Wirklich prägend sind aber die direkten Gespräche mit Zeitzeugen, mit Menschen, die diese Zeit miterlebt haben. Aus diesem Grund wurde am 15.02. 05 an unserer Schule ein Zusammentreffen von Schülerinnen und Schülern mit der jüdischen Musikerin und Autorin Anita Lasker-Wallfisch organisiert.
Finanziell unterstützt wurde die Veranstaltung von den Bürgermeistern der Gemeinden Niederzier und Merzenich, der Martin-und-Käte-Dining-Stifung aus Merzenich und dem Geschichts- und Heimatverein 'Gegen das Vergessen und für die Toleranz Niederzier e.V.' Der Verein 'Gegen das Vergessen - Für Demokratie Rheinland' hatte gar die Flugkosten übernommen, denn Frau Lasker-Wallfisch war eigens für die Veranstaltung aus London nach Köln angereist.
Erwachsen war die Idee, mit einer Zeitzeugin zu sprechen, aus dem Unterricht des Geschichts- Leistungskurses: "Wir beschäftigen uns im Jahrgang 13 mit der Thematik und die Schülerinnen und Schüler hatten das große Bedürfnis, das Prinzip der 'oral history' einmal live mitzuerleben", erklärt Kurslehrer Dietmar Reschke, wie es zum Kontakt mit Frau Lasker-Wallfisch kam.
Über 200 Schülerinnen und Schüler nahmen freiwillig an der Veranstaltung teil, außerdem hochrangige Gäste aus Politik und Verwaltung, dem Sophienhof und kulturpolitischen Vereinen; alle hörten gebannt zu, wie Anita Lasker-Wallfisch über ihr Leben erzählte.
1925 in Breslau geboren, wurde sie schon in ihrer Schulzeit schikaniert, weil sie Jüdin war. Ihre ganze Familie wurde von den Nazis deportiert, sie selbst wurde nach einigen Jahren der Zwangsarbeit in einer Papierfabrik schließlich am 5.6.1943 nach Auschwitz gebracht. "Dort wurde ich jeder Menschenwürde beraubt", erzählt die 79-jährige, die als Cellistin in der Lagerkapelle zur Arbeit der Gefangenen spielen musste.
Sie überlebte diese schreckliche Zeit und spielte nach dem 2. Weltkrieg im English Chamber Orchestra. "Bei einem Konzert in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen habe ich dann erkannt, wie wichtig meine Rolle als Überlebende sein kann", erklärte die Schriftstellerin ihren Zuhörern, wieso sie auch heute noch über die Vergangenheit erzählt: "Es gibt zwei Schritte, mit dieser grausamen Vergangenheit zu leben: Erstens muss man sich des Holocaust erinnern, zweitens aus dem lernen, was geschehen ist."
Die Wirkung des fast zweistündigen Vortrags auf die große Schülerzahl war enorm. "Alle Schüler haben äußerst konzentriert zugehört", befand Abteilungsleiterin Sabine Mehrhoff. Und auch die Anzahl der Fragen machte deutlich, dass die Schüler sich stark vom Schicksal dieser Frau angesprochen fühlten: "Wie konnten Sie das alles verarbeiten?" fragte sichtlich erschüttert Katharina Abels aus der 10b. Viele weitere Fragen beschäftigten sich damit, wie Jugendliche heute Verantwortung übernehmen können und sich mit aktuellen Tendenzen wie dem Erstarken der NPD auseinander zu setzen haben. Frau Lasker-Wallfisch trat bereitwillig in die Diskussion mit den Schülern ein.
Nach der Diskussion hatten die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, das Buch "Ihr sollt die Wahrheit erben" zu erwerben und es von der Autorin signieren zu lassen.
Die Veranstaltung war ein großer Erfolg: "Man hat gemerkt, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit der Vergangenheit auseinandersetzen wollen, wenn sie entsprechend sensibilisiert werden", meinte Dietmar Reschke. Auch die Vorbereitung im Fach Gesellschaftslehre und im Geschichtsunterricht habe dazu beigetragen, dass die Diskussion differenziert geführt worden sei.
Viele Schüler gingen tief berührt nach Hause: "Diese Frau hatte eine gewaltige Ausstrahlung", war Jeremias Schoberer aus dem Jahrgang 13 beeindruckt.
Nach dem gemeinsamen Abendessen in der "Alten Post" in Niederzier bedankte sich Anita Lasker-Wallfisch beim Leiter der Gesamtschule, Hermann- Josef Gerhards, für die warmherzige Aufnahme und gratulierte zu der geschichtsbewussten und interessierten Schülerschaft.
Liebe Schülerinnen und Schüler,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach dem gemeinsamen Abendessen gratulierte mir Frau Lasker-Wallfisch zur Schülerschaft dieser Schule. Lobend äußerte sie sich über die gut vorbereiteten Fragesteller, die deutlich spürbare Betroffenheit, das kritisch-politische Bewusstsein und die hervorragende Disziplin während des Vortrags. Auch die Vertreter der Geschichtsvereine zeigten sich tief beeindruckt von dem Interesse der Jugendlichen an historischen Themen.
Ich danke allen Vorbereitenden und die Veranstaltung Unterstützenden – insbesondere Herrn Reschke – herzlich! Mein Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen, die durch die Teilnahme an dieser Schulveranstaltung ihre Verbundenheit mit ihrer Wirkungsstätte zum Ausdruck brachten.
Die Anerkennung von Frau Lasker-Wallfisch gebe ich gerne an die Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 10 und der gymnasialen Oberstufe weiter und schließe mich den Worten der Autorin und Zeitzeugin an:
"Liebe Schülerinnen und Schüler, Ihr ward ein beeindruckendes Publikum!"
Freundlich grüßt
Hermann-Josef Gerhards
Schulleiter
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- Geschrieben von Administrator
- Erstellt: 01. Januar 2005
- Zuletzt aktualisiert: 23. August 2018
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